Dienstag, 23. Oktober 2012

Die weisse Gans


Es ist Herbst und mit der kühlen Jahreszeit fliegen all jährlich die Zugvögel in ihre südlichen Überwinterungsgebiete. Die Weisswangengans brütete im Sommer in der Tundra und überwintert an den Küsten Nordwesteuropas. Zur Zeit rasten einige hundert Weisswangengänse auf Neuwerk um sich wieder genug Fett anzufressen für den weiteren Zugweg. In einem der rastenden Gänseschwärmen fällt eine sehr helle Weisswangengans auf. Sie ist praktisch weiss und die ansonst so markate schwarze Gesichtszeichnung ist nur verblasst erkennbar. Bei diesem Individuum handelt es sich um eine luzistische Weisswangengans. Leuzismus ist eine Defekt- Mutation, die dazu führt dass die Haut der Gans keine farbstoffbildenden Zellen enthählt und somit weisse Federn wachsen. Die verblassten Farbzeichnungen sind auf abgeschwächte Formen des Leuzismus zurückzuführen.

Leuzistische Weisswangengans im Innengroden


Sonntag, 8. April 2012

Lachmöwen verstehen

Beobachtungstipp für im Ostvorland

Im Frühjahr rasten auf Neuwerk viele Zugvögel auf ihrem langen Weg in die nordischen Brutgebiet. Vögel wie der Kiebitz oder die Lachmöwe welche auf Neuwerk brüten, suchen sich zur Zeit geeignete Brutplätze und sind kräftig am Balzen. Die Lachmöwenbalz ist im Ostvorland besonders gut zu beobachten. Auffällig sind die verschiedenen Verhaltensweisen der Möwenpaare. Was bedeuten die verschiedenen Posen? Warum drehen sich die Lachmöwenpaare den Hinterkopf zu? Und wieso würg das Männchen für das Weibchen Futter hervor?  In diesem Blogbeitrag möchten wir die wichtigsten Verhaltensäusserungen der Lachmöwe genauer aufzeigen.   

Die Begrüssung

Fliegt ein Weibchen in das Revier eines Männchens, so wird es von diesem in einer Vorwärtspose mit extrem nach oben gerichtetem Schnabel empfangen und begrüsst. Die Schräghaltung mit dem Jauchzen des Männchens bedeutet Rückzugsbereitschaft.  Ein fremdes Männchen würde durch ein Jauchzen gewarnt werden und somit gar nicht im Revier landen. Das kontaktsuchende Weibchen setzt sich neben das Männchen und nimmt seinerseits auch die Vorwärtspose ein. Diese wechselt nun zwischen beiden Partnern und wird mit Jauchzen abgewechselt. Plötzlich dreht eine der beiden Möwen den Kopf ruckhaft zur Seite weg, so dass der Partner nur noch den Hinterkopf sieht. Der weisse Nacken ist ein Zeichen des Nichtangreifens und des Vertrauens. Nun stimmt der Partner mit ein und dreht den Kopf auch zur Seite. Diese Pose wird als "Wegsehen" bezeichnet. Beim Wegsehen wird der Partner nur fixiert, solange er selbst nicht schaut. Das Kreuzen der Blicke wird vermieden.


A Beschwichtigende Vorwärtspose
B Schräghaltung und Jauchzen des Männchens
C Parallele Vorwärtspose





Das Wegsehen


Paarfütterung 


Nach mehreren Tagen Begrüssung wir das Zeremoniell immer kürzer. Meistens wird nach dem landen des Partner nur noch das "Wegsehen" gemacht. Nun beginnt das Weibchen Material zum potenziellem Nistplatz zu tragen.  Oft kann man Lachmöwen im Flug mit riesigen Schilfhalmen beobachten, welche sie zum Nestbau benötigen. Die weibliche Lachmöwe bettelt oft beim Männchen um Futter, bis das Männchen Nahrung (oft Regenwürmer) hervor würgt.  Die Paarfütterung ist ein wichtiger Bestandteil des Paarverhaltens. Zudem ist die Fütterung einen zusätzliche Energieversorgung für das Weibchen, welche benötigt wird um ein Gelege zu produzieren. Häufig folgt auf die Fütterung eine Paarung. 



Bilder und Informationen: Handbuch der Vögel Mitteleuropas (Band 8)

Sonntag, 18. März 2012

Letzte Wintereinblicke

Nachdem der Frühling nun langsam den Winter abzulösen scheint, möchte ich den Blick noch ein letztes Mal auf die kalte Jahreszeit richten.

Am Morgen des 31.01.2012, zogen Stefanie Pfefferli und ich raus in`s "Watt", um Aufnahmen der spektakulären Kulisse zu machen, die sich uns an diesen Tagen bot:
Scheinbar ewig verlaufende Eisflächen, welche sich durch die kalte Witterung der letzten Wochen gebildet haben, in Form von Eisschollen, die sich zeitweise sogar zu Miniatur-Eisbergen auftürmten.
Nur am Horizont Richtung Nord-Osten ließ sich eine klar abgegrenzte Linie erkennen, die Elbe, welche zugleich das Ziel unseres Ausflugs war.






























Auf ihr fuhren wie immer verschiedenste Schiffe, die aus der Ferne gesehen, wie große Eisberge wirkten.
Somit begannen wir unser Manöver, ausgerüstet mit mehreren Lagen warmer Kleidung, Fernglas, Kamera, Spektiv, Tee und verschiedenen Sicherheitsvorkehrungen wie GPS und Verbandskasten, die wir jedoch immer dabei hatten, wenn es raus in das Wattenmeer ging.

Auf den ersten Metern wurde uns nochmal bewusst, dass Eis nicht gleich Eis ist: Es existieren verschiedenste Formen und Härtegrade, manche elastisch, manche extrem porös. Wind und die Strömung, welche vor allem bei Hochwasser unter den Eisschollen agiert, formen diese.
Einige Inuit-Stämme haben nicht einmal ein gängiges Wort für "Eis", jedoch etliche Ausdrücke, die es in all seinen Formen umschreiben.
Nach längerem und langsamen Vortasten, bekam man einen Blick für besonders brüchige oder rutschige Stellen und konnte ihnen meistens ausweichen. Das man manchmal jedoch bis zu den Knien einsank ließ sich nicht vermeiden und wir akzeptierten es als Kompromiss für unser Vorhaben.

Ein einzelner Singschwan flog über das Eis hinweg auf die Insel zu, ließ sie aber rechts liegen und setzte den Weg weiter Richtung Festland fort.

Wir passierten ungefrorene Stellen, welche auch bei Niedrigwasser in Bewegung waren und nun umso mehr, weil sich hier große Mengen von Watvögeln und Möwen sammelten: Austernfischer, Große Brachvögel, größere Schwärme von Alpenstrandläufern und Sanderlingen, die knapp über das Eis flogen und sich mit ihrem sehr hellen Gefieder geradezu passend in die Landschaft einfügten.
































Wir näherten uns recht zügig der Elbe und konnten schon von Weitem erahnen, dass uns große Möwenschwärme erwarten würden. Daran, dass dazwischen auch kleine Überraschungen zu finden waren, haben wir nicht gedacht.
Als das Ufer jedoch in das Blickfeld unserer Ferngläser kam, erkannten wir schon einen recht großen, dunklen Vogel, der sich auf einer Eisscholle auszuruhen schien.
Mit jedem Schritt wurde uns klarer, was wir vor uns hatten: Eine Raubmöwe!
Um diese Jahreszeit käme eigentlich nur eine Skua in Frage, doch störten uns verschiedene Merkmale. Der Vogel war zwar plump, aber nicht von der Gestalt wie eine Skua es hätte sein sollen, Struktur und Färbung sprachen ebenfalls für eine andere Art: Eine Spatelraubmöwe.



























Während viele seiner Artgenossen bereits vor Westafrika waren, saß dieser Vogel noch in den gemäßigten Breiten, die jedoch alles andere als gemäßigt wirkten.
Als Brutvogel Skandinaviens und Tundragebietes südlich des Nordpols, schien sich dieser Vogel in der eisigen Nordsee sehr wohl zu fühlen und tatsächlich taten es ihm zwei weitere Artgenossen gleich.
3 Spatelraubmöwen hatten sich nun an der Elbe eingefunden und wurden sogar aktiv: Mit unglaublich geschickten Flug-, und Wendemanövern schafften sie es immer wieder den massig anwesenden Silbermöwen ihre Beute zu entlocken.




























Auf dem Fahrwasser konnte man mehrere Blicke auf Sterntaucher und Trauerenten erhaschen, alles Gäste aus den Polargebieten, die sich wohl fragten ob sie, statt in den Süden einmal im Kreis geflogen waren.

Die Zeit verging schnell, weshalb wir beschlossen uns wieder Richtung Insel zu begeben
Auf dem Rückweg konnten wir unsere Fußspuren einwandfrei zurück verfolgen. Da wir mit der gleichen Tide wieder zurück gingen, hat sich das Eis nicht verändert.

Erst am nächsten Morgen, wenn das Hochwasser der Nacht Wasser unter die Schollen spült, sie bewegt, aneinanderkrachen lässt, jeder Windstoß feingeriebenes Eis an andere Orte trägt und die schnell zunehmende Kälte die bereits vorhandenen Massen um das doppelte wachsen lassen kann, wird einem bewusst wie flexibel und beeinflussbar diese rießige Fläche ist. Doch während sich das Eis unter überraschend lautem Knacken langsam ausbreitete und erahnen ließ, welche Kräfte sich hinter diesen Bewegungen befinden, hatten wir schon wieder festen Boden unter den Füßen und saßen in der Mitarbeiter-Unterkunft des Verein Jordsand.

So wie sich manche Menschen erst wieder wohl fühlen, wenn sie von einer Insel wieder auf ihr vertrautes Festland aufsetzen, waren wir mit der Sicherheit zufrieden die uns unsere Insel in diesem Moment gewährleistete.




























Ich wünsche allen ein besinnliches Frühjahr!


Maximilian Fader

Donnerstag, 9. Februar 2012

Arktische Bedingungen im Wattenmeer erhöhen die Sterblichkeit der überwinternden Wasservögel

Arktische Bedingungen während der letzten zwei Wochen lassen das Wattenmeer fast vollständig im Eis erstarren. Dies führt wahrscheinlich zu erhöhter Sterblichkeit bei den im Wattenmeer überwinternden Wasservögeln, vermuten die Experten des “Joint Monitoring of Migratory Birds” (JMMB). Seit über 20 Jahren koordinieren sie zusammen mit dem Gemeinsamen Wattenmeersekretariat ein Programm zur Zählung der Rastvögel im Wattenmeer. Das Engagement vieler ehrenamtlicher Vogelzähler und professioneller Ornithologen rund um das Wattenmeer ermöglicht mehrere koordinierte Zählungen im Jahr, die die Basis für die Trendberechnungen bilden.

Viele Wasservögel leiden unter der schlechten Erreichbarkeit der Nahrung und dem sehr starken Frost, was möglicherweise viele Vögel nicht überleben werden. Die meisten Vögel haben daher das Wattenmeer verlassen und sind weiter nach Süden in wärmere Regionen gezogen. Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Wintern verlief dieser Winter anfangs sehr mild ohne jeglichen Frost. Daher blieben z.B. viele Weißwangengänse, Brandgänse, Pfeifenten, Austernfischer, Kiebitzregenpfeifer, Knutts, Alpenstrandläufer, Brachvögel und sogar Goldregenpfeifer und Kiebitze im Wattenmeer und versuchten hier zu überwintern. Zusätzlich trieben die Stürme der vergangenen Tage ungewöhnlich viel Dreizehenmöwen und Zwergmöwen an die Küste, es wurden sogar so seltene Arten wie Eis- und Polarmöwen beobachtet.




Der plötzliche Wintereinbruch hat die Vögel völlig überrascht. Am 26. Januar begann die Kälteperiode verbunden mit starken Ostwinden, was dazu führte, dass fast das gesamte Wattenmeer von Dänemark bis in die Niederlande innerhalb weniger Tage vereiste. Mittlerweile sind die hoch gelegenen Wattflächen alle von einer mächtigen Eisschicht bedeckt. Die Vögel konzentrieren sich in den wenigen niedrig gelegenen Wattflächen, die noch eisfrei sind. Nur hier finden sie – wenn überhaupt – Nahrung. Die meisten Vögel haben daher das Wattenmeer geräumt. Vor allem Pflanzenfresser wie Gänse und Pfeifenten reagierten schnell und flogen zurück in mildere Regionen, aber auch die Zahl der Watvögel nahm sehr schnell ab. Tausende von Ringelgänsen, die gerade erst im nördlichen Wattenmeer angekommen waren, machten sofort wieder kehrt, als Ende Januar der Wintereinbruch begann.

Die extreme Kälte stellt für alle diese Vögel eine große Gefahr dar. So wurden nach der bisher kältesten Nacht vom 6. auf den 7. Februar mit unter Minus 15°C mehr als 90 tote Watvögel von freiwilligen Mitarbeitern der Schutzstation Wattenmeer an der Schleswig-Holsteinischen Küste vor allem vor Büsum und am Weststrand von Sylt gefunden. Es waren vor allem Austernfischer, aber auch zwei Knutts, 10 Alpenstrandläufer, ein Sanderling, fünf Rotschenkel und zwei Steinwälzer. Offensichtlich haben sie nicht genug Nahrung gefunden und hatten keine ausreichenden Fettreserven, so dass sie letztendlich erfroren sind.

Falls die Kältewelle anhält, ist zu erwarten, dass weitere Vögel verhungern und erfrieren. Besonders bei den Austernfischern könnte das sogar Auswirkungen auf die Population haben, denn der Bestand ist in den letzten 20 Jahren schon um 50% eingebrochen. Diese Art leidet zum einen in weiten Bereichen des Wattenmeeres unter Nahrungsmangel, der auf die bis vor wenigen Jahren noch durchgeführten Muschelfischerei im niederländischen Wattenmeer zurückzuführen ist, zum anderen hat sie hat sie schon länger keinen ausreichenden Bruterfolg mehr, wie durch das seit kurzem durchgeführte wattenmeerweite Bruterfolgsmonitoring deutlich wurde.